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"Doctor, I'm not sure that I can trust you with my feelings."

Der Begriff „Vertrauen“ hat viele Facetten und bezeichnet ein schillerndes, manchmal wenig greifbares Phänomen. 

  • Vertrauen als Gefühl kennen wir alle in Form eines ursprünglichen, von Geburt an vorhandenen Urvertrauens. Es ist die Basis tiefer zwischenmenschlicher Beziehungen und ruft ein Bedürfnis nach Vertrauen wach, das ein Leben lang bleibt. 
  • Vertrauen als Konvention ist ein gesellschaftliches Vertrauen, das üblich und notwendig ist, weil es nicht vorhandenes Wissen ersetzt. Was wir nicht mehr selbst überprüfen können –  z. B. Flugzeuge – lässt sich nur nutzen, wenn wir darauf vertrauen, dass es funktioniert, weil andere dafür gesorgt haben. 
  • Vertrauen als Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Vertrauen zu entwickeln bzw. zu geben. Das wird umso wichtiger, je unkontrollierbarer die Welt für den Einzelnen wird. Der Einkauf übers Internet zeigt deutlich: Hier kann der Verkauf nur zustande kommen, wenn einer von beiden sich bewusst dafür entscheidet, Vertrauen zu geben. Dies ist eine moderne und aktuelle Art des Vertrauens, es besteht sofort und von Anfang an – nicht erst

Die Psychologie definiert Vertrauen folgendermaßen:

Vertrauen ist die Erwartung einer Person, dass andere Menschen berechenbar im Interesse dieser Person handeln.

Vertrauen ist also eine Erwartung für das zukünftige Verhalten anderer Menschen. Diese führt zur Bereitschaft sich in Situationen zu begeben, in denen man verletzlich ist – oder eben nicht, wenn man kein Vertrauen hat.

 

Es klingt so simpel, dass man es kaum glauben mag: Vertrauen ist die Basis und Essenz des Managements. Das Paradoxe daran: In der Einfachheit liegt zugleich die immense Schwierigkeit, Vertrauen vorbehaltlos und immer aufs Neue zu schenken, bei gleichzeitigem Wissen um die damit verbundenen Risiken.

Tatsachen oder Hypothesen?!

  • Vertrauen wird oft vehement eingefordert, aber selten gelebt.
  • In den meisten Unternehmen herrscht Misstrauen statt Vertrauen.
  • Vertrauen hat viele Erscheinungsformen, ist aber schwer fassbar oder erklärbar.
  • Das traditionelle Vertrauensverständnis basiert auf der Kenntnis des anderen, auf gewachsenen Geschäftsbeziehungen und festen Strukturen. Dieses Verständnis genügt den heutigen Marktanforderungen und der Lebensrealität je länger desto weniger.
  • Vertrauen, das erst lang erarbeitet, getestet und verdient werden muss, ist nicht mehr modern.

Vertrauen zu geben und sich damit auch verwundbar zu machen, ist der erste Schritt und der Schlüssel zu einem neuen Vertrauensverhältnis.

Warum ist Vertrauen notwendig?

Vertrauen als Steuerungsinstrument im Unternehmen ist nur scheinbar ein „softes“ Thema. Es handelt sich vielmehr um einen harten wirtschaftlichen Faktor, der starken Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens hat. Vertrauen ist aus mehreren Gründen notwendig: 

Die Führungskräfte misstrauen den Mitarbeitern und umgekehrt. Zentimeterdicke Handbücher oder ausgeklügelte Controllingsysteme bis hin zu sprachlichen Verkleidungen wie „Vertrauensarbeitszeit“ manifestieren eine Kultur des Misstrauens. 

Der Bedarf an Vertrauen steigt, während gleichzeitig die traditionellen Entstehungsquellen von Vertrauen (lange, etablierte Beziehungen) zurückgehen. 

Vertrauen ermöglicht Restrukturierungen. Und zwar umso eher, je mehr sie von den Mitarbeitern getragen werden. Das wiederum funktioniert nur, wenn bei ihnen Vertrauen in die Entscheidungen der Unternehmensführung vorhanden ist. Viele Veränderungsprozesse, Fusionen oder Prozessoptimierungen sind an mangelndem Vertrauen gescheitert, nicht mangels Knowhow. 

Vertrauen bindet Kunden. In Zeiten, in denen persönliche Kundenkontakte immer seltener werden, steigt ihr Wert. Vertraut ein Kunde einem Mitarbeiter, überträgt er dies auf das gesamte Unternehmen, und umgekehrt gilt das ebenso. Vertrauen ist auch der Stoff, aus dem Markentreue besteht.

Vertrauen sorgt für Schnelligkeit im Unternehmen. Unternehmen und Managementverhalten müssen sich wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Schnelles und effizientes Handeln passt nicht zu Managementvorstellungen, die auf umfangreichen Regelwerken basieren. Nicht mehr oder schneller arbeiten ist die Lösung, sondern ein Mehr an Vertrauen, das der Motor für schnellere Entscheidungen und Handlungen ist.

Vertrauen macht Wissenstransfer möglich. Wissen wird die Ressource der Zukunft sein und der Wissenstransfer im Unternehmen eine der grössten Herausforderungen. Jedoch: Mitarbeiter sind häufig nicht bereit, ihr Expertenwissen zu teilen. Solange eine Kultur des Misstrauens besteht, werden sie verständlicherweise dazu neigen, ihre Ideen und ihr Wissen für sich zu behalten. Nur wenn ihnen daraus keine Nachteile entstehen, werden die Menschen ihr Wissen untereinander weitergeben. Und das geht nur durch gelebtes Vertrauen, nicht auf Basis von Macht, Geld oder Anweisungen. 

Vertrauen fördert Kreativität und Innovationen. Die viel geforderte Kreativität kann nur dann entstehen, wenn Mitarbeiter wissen, dass sie das Vertrauen ihres Vorgesetzten haben und dass Fehler toleriert werden. Niemand wird sonst Risiken eingehen wollen – was jede Kreativität verhindert. 

Vertrauen spart Kosten. Viele administrative und kontrollbedingte Kosten könnten eingespart werden, wenn mehr Vertrauen und nicht Misstrauen die Basis von unternehmerischer Führung wären. Jede Weiterentwicklung von Sicherheits- oder Kontrollmassnahmen zur Überwachung der Leistungserbringung der Mitarbeiter, beispielsweise zusätzliche Berichte, erhöht die unternehmerischen Kosten und vermindert die produktive Zeit. 

Vertrauen bindet und motiviert Mitarbeiter. Psychologie und Soziologie haben mehrfach bewiesen, dass Menschen unter Vertrauensbedingungen geradezu aufblühen. Vorhandene Handlungsspielräume wirken sich positiv auf die Motivation aus. Kontrolle und Einschränkung der Freiheit bewirken das Gegenteil, sie schüren Misstrauen und führen beim Mitarbeiter zu innerer oder tatsächlicher Kündigung. 

Vertrauen macht Führung erfolgreich. Misstrauen bewirkt erst Widerstand, dann Opposition. Nur wer vertraut, lässt sich führen. Eine Paradoxie der Führung lässt sich durch Vertrauen überbrücken: Führungskräfte müssen unbequem, fordernd und antreibend sein, wollen sie das Unternehmen weiterentwickeln. Mitarbeiter empfinden das meist als störenden Druck. Führungskräfte können aber nur dann führen, wenn sie die freiwillige Zustimmung und Anerkennung ihrer Mitarbeiter haben. Und das funktioniert nur, wenn Vertrauen vorhanden ist. 

 „Vertrauen ist sicherer als jede Sicherungsmassnahme. Vertrauen kontrolliert effektiver als jedes Kontrollsystem. Vertrauen schafft mehr Werte als jedes wertsteigernde Managementkonzept.“